"Wird mir die Kleine wieder weggenommen?" - Geistig behinderte Eltern und ihre Kinder

Produktion SWR2 – Sendung: 04.01.2011, 10.05 Uhr, SWR2 – Leben – 25 Minuten
Eine Hörfunk-Reportage von Thomas Gaevert
Redaktion: Petra Mallwitz
Regie: Andrea Leclerque

Geistig behinderte Menschen können nicht allein für sich selber sorgen. In vielen Lebensbereichen sind sie auf Hilfe von außen angewiesen. Doch was ist, wenn sie Eltern werden wollen? Inwieweit sind geistig behinderte Eltern in der Lage, für das Wohl ihrer Kinder zu sorgen und wo brauchen sie Hilfe? Und wie gehen Angehörige, Betreuer und schließlich auch unsere Gesellschaft mit diesem Thema um? Die Reportage berichtet aus dem Alltag von drei betroffenen Elternpaaren.

Herrlich unsterblich - Von alten und neuen Vampir-Geschichten

Produktion SWR2 – Sendung: 10.01.2011, 19.20 Uhr, SWR2 – Dschungel – 30 Minuten
Ein Hörfunk-Feature von Thomas Gaevert
Redaktion: Ellinor Krogmann – Regie: Maidon Bader
Mit: Stefan Eickhoff
Sprecher: Walter Renneisen, Reinhold Weiser

Edward Cullen ist ein echter Vampir und verzichtet auf Menschenblut. Und er beschützt ein unscheinbares Mädchen namens Bella Swan, in das er verliebt ist. Gab es so etwas jemals zuvor? Edward Cullen ist der neue Prototyp der Vampire: perfekt aussehend, ausgestattet mit dem ewigen Leben und immer auf der Seite der Guten stehend. Erfunden wurde er von der amerikanischen Schriftstellerin Stephenie Meyer. Ihr Buch „Biß zum Morgengrauen“ wurde ein Bestseller und zog mehrere Fortsetzungen und Kinofilme nach sich. Wer denkt da noch an die blutrünstigen Vampire alter Schule? Zum Beispiel an den spindeldürren Vampir in Friedrich Wilhelm Murnaus Stummfilmklassiker „Nosferatu“? Nach dessen Premiere war das Kinopublikum geschockt und fasziniert zugleich. Fragen und Gerüchte machten die Runde: Wer ist sein Darsteller? Max Schreck? Was für ein Name! Ist er wirklich nur ein Schauspieler? Eine Spurensuche nach dem ersten berühmten Vampir der Filmgeschichte.

"Irgendein Mike Oldfield neuerdings..." - Eine Vater-Sohn-Geschichte

Produktion: SWR2 – Sendetermin: 10.10.2011, 19.20 Uhr, SWR2 – Dschungel – 30 Minuten
Hörfunk-Feature von Thomas Gaevert
Redaktion: Ellinor Krogmann
Interview-Partnerin: Gitta Lindemann
Sprecher: Philipp Heitmann, Sebastian Kowski, Jan Krauter
Ton und Technik: Karl-Heinz Runde, Anke Schlipf
Regie: Günter Maurer

Mein Sohn hat keine ausgeprägten Interessen. Er bastelt lieber am Auto, geht angeln, lässt sich von Fernsehkrimis fesseln oder von so genannten starken Sounds beschallen. Irgendein Oldfield neuerdings. Oder er baut – wie dieser Tage – einen Schaukelstuhl. Einen riesigen Riesenschaukelstuhl. Ein Unikum. Wenn der Junge sich gemächlich hin- und herwiegt, habe ich den Eindruck, ein König sitzt da, der sein kleines Reich wohlgefällig und genüsslich überschaut.

Verzweifelte Gedanken über meinen Sohn. Er scheint in der Anschauung zu leben: My home is my castle. Tim – ein Zurückzieher? – Ein Aussteiger? – … Nein, Aussteiger ist mein Sohn nicht. Dann unterscheidet er sich von einem Bekannten, der mir sagte: „Aussteiger? – Kann ich nicht sein; ich bin gar nicht erst eingestiegen.“

Diese Sätze schrieb Werner Lindemann, ein bekannter DDR-Schriftsteller. Seit den 70er Jahren war er besonders als Kinderbuchautor in Erscheinung getreten. in seinen Gedichten und Geschichten beschrieb er auf feinfühlige und humorvolle Art das Familien- und Dorfleben im sozialistischen Alltag. Anfang der 80er Jahre lebt er in einem kleinen beschaulichen Dorf in Mecklenburg. Doch als sein achtzehnjähriger Sohn Till bei ihm einzieht, prallen die gegensätzlichen Ansichten zweier Generationen aufeinander. Geboren 1963, ist der Sohn ein Kind der DDR, aufgewachsen im Sozialismus. Doch die Ideale des Vaters sind ihm völlig fremd: „Der Sozialismus – eine Farce!“

Werner Lindemann überlebte den Mauerfall zwei Jahre. Als er 1992 starb, konnte er noch nicht ahnen, dass sein Sohn drei Jahre später weltberühmt werden sollte. Er ist heute Sänger der Band „Rammstein“.

Lizenz zur Spionage - Militärische Verbindungsmissionen im Kalten Krieg

Von Söhnke Streckel und Thomas Gaevert
Redaktion: Wolfram Wessels
Sprecher: Jürgen Franz, Horst Hildebrand, Thomas Höhne, Oliver Jacobs, Sebastian Mirow, Bernd Hahn
Ton und Technik: Daniel Senger, Judith Rübenach
Regie: Iris Drögekamp
Sendetermin: 2. November 2011, 22.05 Uhr – SWR2 – 55 Minuten

Am 24. März 1985 starteten der US-Major Arthur D. Nicholson und sein Fahrer Sgt. Jessie G. Schatz zu einer Aufklärungstour in die DDR. Als Angehörige der amerikanischen Militärverbindungsmission durften sie sich dort frei bewegen – mit Ausnahme militärischer Sperrgebiete. Der Versuch Nicholsons, ein Übungsgelände der Sowjetarmee bei Ludwigslust auszuspionieren, endete in einer Katastrophe: Ein sowjetischer Wachtposten eröffnete das Feuer auf die Amerikaner – für Major Nicholson kam jede Hilfe zu spät. Sein Tod sorgte nicht nur für diplomatische Verstimmungen zwischen den damaligen Supermächten, sondern wirft ein Schlaglicht auf die geheime Tätigkeit der militärischen Beobachter auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs.

Die Einrichtung der Verbindungsmissionen wurde 1944 beschlossen, um nach dem Krieg die reibungslose Kommunikation zwischen den alliierten Vertretern der drei Westmächte und der Sowjetunion zu gewährleisten. Im folgenden Kalten Krieg wurde aus der Kommunikation allerdings zunehmend Spionage. Und die Soldaten bekamen andere Aufgaben und Funktionen.

Der Roland und der Urstromtaler - Unterwegs mit einer Regionalwährung

Produktion: D 2012, SWR2
Sendetermin: 17.02.2012, 10.05 Uhr, SWR2, Sendereihe Tandem – Relevant, 25 Min.

Autor: Thomas Gaevert
Redaktion: Ellinor Krogmann
Regie: Günter Maurer

Wächst in Deutschland das Interesse an Regionalwährungen? Viele Menschen zahlen mittlerweile mit „Roland“, „Urstromtaler“ oder „Chiemgauer“. Mehr als 30 Regional-währungen gibt es inzwischen in Deutschland, und sie versprechen anders zu sein als der Euro.

Der Grundgedanke: Regionale Währungen wollen das Geldwesen wieder der Allgemeinheit zugänglich machen, indem sie mit einer eigenen, lokal begrenzten Währung einen kleinen geschlossenen Wirtschafts-kreislauf herstellen. Dadurch, dass die Währungen nur in bestimmten Gebieten kursieren, soll die Kaufkraft an die Region gebunden, Transportwege verkürzt und damit auch die Umwelt geschont werden.

Viele der Währungen sind als sogenanntes „Schwundgeld“ konzipiert, denn ihre Scheine verlieren an Wert, wenn man sie nicht ausgibt. Damit sollen größere Sparanlagen verhindert werden und das Regionalgeld im Umlauf bleiben. Kann das funktionieren? Eine Reportage.

Bloß weg! - Straßenkinder in Deutschland

Sendetermin: 04.04.2012, 10.05 Uhr, SWR2, Sendereihe Tandem, 25. Min.

Autor: Thomas Gaevert
Redaktion: Petra Mallwitz
Regie: Günter Maurer

Anja war sechzehn, als sie beschloss, ihr Zuhause zu verlassen. Dauerstress mit ihren Eltern, den vier Geschwistern – und irgendwie habe sie sich auch vernachlässigt gefühlt, erinnert sich die junge Frau heute. Anja suchte sich ihre eigene kleine Familie und fand sie in einer Gruppe von anderen Jugendlichen, die auf der Straße lebten. Irgendwann schlug sie sich bis nach Hamburg durch und lebte dort vier Jahre unter einer Brücke – zusammen mit anderen Obdachlosen. Vorsichtige Schätzungen gehen von etwa zwanzigtausend sogenannten Straßenkindern in Deutschland aus. Die meisten von ihnen versuchen einem Druck zu entfliehen, der sich schon länger im Zusammenleben mit ihren Familien aufgebaut hat. Nicht selten sind es Gewalt, psychische Erkrankungen der Eltern oder Konflikte mit dem neuen Lebenspartner eines Elternteils, der sie von Zuhause flüchten ließ. Doch wie kann man Jugendlichen helfen, die alle Brücken in ein geregeltes Leben hinter sich abgebrochen haben?

Der Zeitreisende von Ansbach oder Wer war Oswald Levett?

Sendetermine:
24.09.2012, 19.20 Uhr, SWR2  Tandem – 30 Minuten
25.09.2012, 10.05 Uhr, SWR 2
Wiederholungen:
01.09.2014, 19.20 Uhr, SWR2
02.09.2014, 10.05 Uhr, SWR2

Autor: Thomas Gaevert
Redaktion: Ellinor Krogmann
Sprecher: Rudolf Guckelsberger, Sebastian Mirow, Andreas Helgi Schmidt
Ton und Technik: Renate Tiffert, Martin Vögele
Regie: Maria Ohmer

Anfang der 80er Jahre stieß der in der DDR lebende Science-Fiction-Experte Olaf R. Spittel zufällig auf den Roman „Verirrt in den Zeiten“. Das Werk war ebenso in Vergessenheit geraten wie sein Autor: Oswald Levett. Geboren am 15. Juni 1884 in Wien als Oswald Franz Löwit, mit jüdischen Wurzeln, studierte er zunächst Rechtswissenschaften und war dann – ähnlich wie der Ich-Erzähler seines Romans – als Rechtsanwalt tätig. In den 20er Jahren gehörte er zum Umfeld des gefeierten Wiener Schriftstellers Leo Perutz. „Verirrt in den Zeiten“ erschien 1933 und war Levetts erster Roman. Der Hauptheld, ein junger Mann namens Erasmus Büttgemeister, muss mit ansehen, wie seine Geliebte von einem Zug erfasst und getötet wird. Mit einer Zeitmaschine will er daraufhin wieder in die Vergangenheit zurückreisen, um den Tod der Geliebten rückgängig zu machen. Doch bevor er sein Vorhaben umsetzen kann, verschwindet er spurlos. Bei seinen Nachforschungen stößt der Ich-Erzähler auf geheimnisvolle Aufzeichungen, die auf eine tatsächlich geglückte Zeitreise des Erasmus Büttgemeister in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges schließen lassen. Ausgestattet mit dem Wissen des beginnenden 20. Jahrhunderts will er nun die gesamte Menschheitsgeschichte ändern. Panzer, Flugzeuge und Feldgeschütze sollen in den Verlauf des Dreißigjährigen Krieges eingreifen und die Menschen des 17. Jahrhunderts mit den Moralvorstellungen des 20. Jahrhunderts gewaltsam bekehren. Doch bevor es soweit kommen kann, lässt ihn Levett an seinen eigenen größenwahnsinnigen Vorstellungen scheitern. Eine visionäre Vorwegnahme der 1933 beginnenden faschistischen Diktatur?

Trotz sorgfältiger Recherche gelang es Olaf R. Spittel in den 80er Jahren nicht, näheres über den Verbleib Oswald Levetts zu erfahren. Sein Schicksal schien dem seines geheimnisvollen Romanhelden zu gleichen, denn die Spuren verloren sich nach damaligem Kenntnisstand zu Beginn der 40er Jahre. Erst neuere Forschungen haben ergeben, dass der Schriftsteller 1942 in das Vernichtungslager Maly Trostinec bei Minsk deportiert wurde und dort ums Leben kam. Sein ältester Sohn Oswald Fuchs, damals noch ein Kind, entging knapp der Deportation. Heute ist er 79 Jahre alt und blickt auf eine erfolgreiche Karriere als Schauspieler und Regisseur in Österreich und Deutschland zurück. Für die Sendung begibt er sich auf eine späte Spurensuche nach seinem Vater, dem Schriftsteller Oswald Levett.

Ihr zweites Leben - Kerstin Kuzia berät ehemalige DDR-Heimkinder

Sendetermin: 31.10.2012, 10.05 Uhr, SWR2 Tandem – 25 Minuten

Autor: Thomas Gaevert
Redaktion: Ellinor Krogmann
Regie: Günter Maurer


Kerstin Kuzia war 15 Jahre alt, als sie in den Jugendwerkhof Hummelshain kam. Der Grund: In der Schule war sie aufsässig, passte nicht ins System. Als sie dann auch noch den Staatsbürgerkundeunterricht in Frage stellte, nahm man ihr die Freiheit. In Hummelshain hatte man ihr die Anstiftung zu einer Massenflucht unterstellt. Dafür sollte sie in Torgau bestraft werden. Der Geschlossene Jugendwerkhof war das schlimmste Gefängnis für Jugendliche, das die DDR zu bieten hatte. Hier sollten Drill und offene Gewalt den Willen der Jugendlichen brechen. Dunkelzellen, Einzelhaft und Schläge verfolgen sie bis heute. Kerstin hatte keine Aussicht auf Hilfe. Selbst ihre Mutter sagte sich von ihr los und gab Kerstin zur Adoption frei. Auch nach der Entlassung stand Kerstin unter Beobachtung der Jugendhilfe. Ständig lebte sie in Angst, dass man ihr das Kind wegnimmt oder dass sie nach Torgau zurück muss.
Es dauerte 20 Jahre, bis Kerstin einen Weg fand, über die Vergangenheit zu reden. Nach einem psychischen Zusammenbruch folgten endlose Therapien. Doch besser als alle Psychologen half ihr zunächst die Mitarbeit an einem Ballettprojekt, um offen mit dem Trauma umzugehen. Sie begann sich ganz bewusst ihren Erinnerungen zu stellen und erarbeitete zusammen mit einer Choreografin ein Konzept, das die Qual, die sie besonders im Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau erleben musste, künstlerisch verarbeitet. Das Projekt machte Kerstin bekannt. Immer häufiger bekam sie Einladungen zu Zeitzeugengesprächen oder wurde von ehemaligen DDR-Heimkindern kontaktiert, die ähnliches durchmachen mussten und sie nun um Hilfe baten. Die meisten von ihnen hatten – ähnlich wie Kerstin noch einige Jahre zuvor – nie über das Erlebte gesprochen. Am 1. Februar 2012 eröffnete Kerstin deshalb in Berlin die erste Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder der DDR. Die Reportage begleitet sie bei ihrer Arbeit.

Lange Schatten - DDR-Grenzer, der "Mordfall Runge" und ein Prozess

Sendetermin: 28.11.2012, 22:03 Uhr, SWR2 Feature, 55 Minuten

Autoren: Thomas Gaevert / Söhnke Streckel
Redaktion: Wolfram Wessels
Sprecher: Hede Beck, Sebastian Schaefer, Christian Schmidt, Robert Atzlinger, Achim Hall, Jürg Löw
Ton und Technik: Karl-Heinz Runde, Anke Schlipf
Regie: Günter Maurer

Am 8. Dezember 1979 beschlossen zwei Schüler aus Halle die Flucht aus der DDR: Heimlich verschwanden Heiko Runge und Uwe Fleischhauer von zu Hause, um sich in den Harz durchzuschlagen. Bei Sorge wollten sie über die innerdeutsche Grenze flüchten. Doch anstatt die Bundesrepublik zu erreichen, endete ihre Flucht hinter dem ersten Grenzzaun. Heiko Runge starb durch die tödlichen Schüsse zweier Grenzsoldaten. Der tragische Vorfall war äußerst brisant und sollte vertuscht werden, denn hier ließ die DDR an ihrer Westgrenze auf die eigenen Kinder schießen. Doch trotz damals zum Schweigen gebrachter Soldaten, Angehöriger, Lehrer und Mitschüler ließen sich die langen Schatten des „Mordfalls Runge“ nicht auslöschen. Mitte der 90er Jahre fanden schließlich die so genannten Mauerschützenprozesse statt. Dabei standen auch jene beiden Grenzsoldaten vor Gericht, die auf Heiko Runge geschossen hatten. Doch kann man DDR-Unrecht auf diese Weise aufarbeiten?

© Foto: Thomas Gaevert

Großvaters Andenken - Judka Strittmatter und ihre persönliche Spurensuche

Sendetermin: 20.03.2013, 10.05 Uhr, SWR2 Tandem – 25 Minuten

Autor: Thomas Gaevert
Redaktion: Ellinor Krogmann
Regie: Andrea Leclerque

Vererben sich erfahrene Risse und Brüche innerhalb einer Familie tatsächlich von einer Generation zur nächsten? Judka Strittmatter ist die Enkelin des Schriftstellers Erwin Strittmatter. Seine Bücher, die dem sorbisch geprägten Landleben in der Niederlausitz ein Denkmal setzten, kannte in der DDR jeder. Doch der berühmte Großvater ist ihr, so lange er lebte, immer fremd geblieben. Seine Fans schätzen ihn als einfühlsamen Erzähler. Aber wer war er wirklich? Judka Strittmatter begab sich auf Spurensuche und musste feststellen, dass „Opa Erwin“ sehr autoritär war und damit nicht nur ihre Familie, sondern auch ihre eigene Kindheit und Jugend stärker geprägt hat, als ihr bisher bewusst war.

Regiogeld als Alternative zum Euro?

Sendetermin: 03.05.2013, 06.40 Uhr, WDR 5 Morgenecho – 3:10 Minuten
Magazin-Beitrag von Thomas Gaevert
Interview-Partner: Uwe Kellermann, Frank Jansky, Dirk Loehr
Sprecher: Stefan Langner

Überleben unter dem Hakenkreuz - Die Geschichte der Familie Klimt

Sendetermin: 25.09.2013, 10.05 Uhr, SWR2 Tandem – 25 Minuten

Autor: Thomas Gaevert
Redaktion: Ellinor Krogmann
Regie: Andrea Leclerque

Elisabeth Klimt, geboren 1924, wächst zusammen mit ihren beiden Schwestern in einer niedersächsischen Gemeinde auf. Delligsen heißt die kleine gutbürgerliche Welt, in der zunächst noch alles überschaubar ist. Ihr Vater Adolf Klimt unterrichtet am hiesigen Gymnasium Mathematik. „Es war 1937“, so erinnert sich Elisabeth Klimt heute, „da kriegte mein Vater plötzlich einen Brief, dass er sich, wenn er noch weiter im Schuldienst bleiben wolle, von seiner jüdischen Frau, unserer Mutter Henny Klimt, geborene Nelke, scheiden lassen müsse.“ Als sich Adolf Klimt weigert, dieser Forderung der Nazis nachzukommen, wird er an eine kleine Mittelschule in Hasselfelde im Harz strafversetzt.

Im neuen Lehrerkollegium findet Adolf Klimt rasche Anerkennung. Fünf Jahre nach ihrem Machtantritt betrachten die Nazis den Harz noch immer als politisch unzuverlässig. Besonders der Ort Hasselfelde galt bis 1933 als SPD-Hochburg. Doch der Druck und die Verfolgungen sind auch hier spürbar.1938 wird Adolf Klimt endgültig aus dem Schuldienst entlassen und mit Kriegsausbruch in ein Strafbataillon der Wehrmacht eingezogen. Seine Töchter, unter ihnen auch Elisabeth Klimt, besuchen inzwischen ein Gymnasium in Ahlfeld. Der hiesige Direktor hat sich schützend vor die Mädchen gestellt. Nur Ehefrau Henny Klimt bleibt mittellos im Harz zurück. Als Jüdin ist sie sich bewußt, dass sie jeden Tag mit ihrer Deportation rechnen muss. Doch einheimische Familien stellen sich schützend vor sie und versuchen mit allen Mitteln, das Schlimmste zu verhindern.

Elisabeth Klimt sammelte die Aufzeichnungen ihrer Eltern und bewahrt sie noch immer auf. Mittlerweile ist sie fast 90 Jahre alt und wenn sie heute davon erzählt, wie ihre Familie den Naziterror überleben konnte, dann sind es nicht die großen Heldengeschichten, sondern die ganz kleinen Begebenheiten über die alltägliche Zivilcourage ganz normaler Leute, die sich auch in der dunkelsten Zeit der Diktatur ihre Menschlichkeit bewahrt hatten.

Der Fall Bischofferode - Wie die Treuhandanstalt die ostdeutsche Kaliindustrie abwickelte

Sendetermin: 27.11.2013, 22.03 Uhr, SWR2 Feature – 55 Minuten

Autor: Thomas Gaevert
Redaktion: Wolfram Wessels
Sprecher: Volker Risch, Sebastian Schäfer, Michael Speer, Bijan Zamani
Ton und Technik: Burkhard Pitzer-Landeck, Claudia Peyke
Regie: Maria Ohmer

Juli 1993. Die Berliner Treuhandanstalt hat entschieden, den Volkseigenen Betrieb „Kombinat Kali“ mit dem westlichen Unternehmen „Kali und Salz“ in Kassel zu fusionieren. Dabei sollen die meisten Kalibergwerke im Osten geschlossen werden. Auch der „Thomas-Müntzer-Schacht“ im thüringischen Bischofferode ist mit seinen 650 noch verbliebenen Arbeitsplätzen davon betroffen. Über 80 Jahre lang wurde hier Kalisalz abgebaut, das vor allem nach Westeuropa exportiert wurde. Für die DDR war dies eine wichtige Devisenquelle, für „Kali und Salz“ im Westen dagegen ein unliebsamer Konkurrent.

Die beabsichtigte Schließung nach der Wende läßt nun den Verdacht aufkommen, dass dieser Konkurrent zerschlagen werden soll. Doch die Thüringer Kalikumpel wollen sich diese Entscheidung nicht bieten lassen. Vierzig von ihnen treten spontan in einen Hungerstreik. Es ist das erste Mal, dass sich ostdeutsche Arbeiter gegen die flächendeckende Abwicklung ihrer Arbeitsplätze wehren. Bischofferode ist plötzlich in aller Munde und die weltweite Öffentlichkeit schaut auf einen Arbeitskampf, wie er in Deutschland noch nie geführt wurde.

Einmal zum Mars und nicht mehr zurück - Ein Mann und sein Traum

Sendetermin: 22.01.2014, 10.05 Uhr, SWR2 Tandem – 25 Minuten
Autor: Thomas Gaevert
Redaktion: Ellinor Krogmann
Regie: Andrea Leclerque

„Das Ziel der Mission ‚Mars One‘ ist es, im Jahr 2023 eine menschliche Siedlung auf dem Planeten Mars zu etablieren. Dieses  Projekt bietet die Möglichkeit, die Leistung einer geeinten Menschheit zu feiern.“

So lautet der Werbetext des niederländischen Unternehmers Bas Lansdorp, der in zehn Jahren vier Menschen auf dem Mars landen lassen will. Sie sollen eine Kolonie auf dem Planeten gründen, die jedes Jahr Zuwachs von vier weiteren Raumfahrern bekommt. Eine Rückkehr zur Erde wird es nicht geben. Finanziert werden soll das Projekt durch den Verkauf von Fernsehrechten: Das ganze Abenteuer soll live im Fernsehen übertragen werden. Gegen eine Gebühr von 38 Dollar kann man sich seit April 2013 mit einem Kurzvideo auf der Internetseite von Mars One bewerben. Obwohl es keine Rückkehr zur Erde geben soll, haben sich bereits tausende von Interessierten aus aller Welt gemeldet.

Einer von ihnen ist der 44jährige Stephan Günther aus Deutschland. Mit seiner Bewerbung hofft er, Teil des Projektes zu werden. Doch ist ein solches Unterfangen, sollte es in einigen Jahren tatsächlich realisierbar sein, überhaupt ethisch vertretbar? Was treibt Stephan Günther an, sein Leben auf der Erde möglicherweise für ein Weltraumabenteuer ohne Wiederkehr einzutauschen? Und was sagt Ehefrau Beate zu seiner Bewerbung?

Fight for Peace in Kabul - Die Geschichte des Boxers Hamid Rahimi

Sendetermin: 05.03.2014, 10.05 Uhr, SWR2 Tandem – 25 Minuten
Wiederholung: 10.08.2016, 10.05 Uhr, SWR2

Autor: Thomas Gaevert
Redaktion: Ellinor Krogmann
Regie: Günter Maurer

30. Oktober 2012: für eine Nacht ist die afghanische Hauptstadt Kabul im friedlichen Ausnahmezustand. Aus Deutschland zurückgekehrt, hat der 29jährige Boxer Hamid Rahimi den allerersten Profiweltmeister-Boxkampf in Afghanistan organisiert.
Die öffentliche Anteilnahme stellt alle Erwartungen in den Schatten. „Fight for Peace“ nennt er seinen Kampf. Und tatsächlich – in diesen Stunden fällt in Kabul kein einziger Schuss, nur weil die Menschen das Ereignis mitverfolgen wollen.
Vor zwanzig Jahren flüchtete Hamid Rahimi mit seinen Eltern vor dem Krieg nach Hamburg. Als Flüchtlingskind musste er dort bittere Erfahrungen machen. Nun ist er als Held an den Hindukusch zurückgekehrt und gilt dort nicht nur als sportliches Vorbild, sondern für viele Jugendliche auch als Friedensidol.

Von alten Parolen zu neuen Freiheiten - Die letzten Teenager der DDR

Sendetermin: 01.10.2014, 10.03 Uhr, SWR2 Tandem – 25 Minuten

Autor: Thomas Gaevert
Redaktion: Ellinor Krogmann
Regie: Günter Maurer

1989 gab es für die Heranwachsenden im Osten Deutschlands noch FDJ-Nachmittage und die berühmte Jugendweihe, aber kaum jemand glaubte weiter an die alten Parolen. Melanie und Jan, beide aufgewachsen in einem kleinen Ort nahe der innerdeutschen Grenze, gehören zur letzten Teenager-Generation der DDR. Was für sie eigentlich vorgezeichnet zu sein schien, galt mit dem Fall der Mauer nicht mehr. Wie haben sie damals die neue Freiheit empfunden? Wie hat sich seitdem ihr Leben verändert?

Spitzelnde Freunde - Deutschland und der amerikanische Geheimdienst NSA

Sendetermin: 19.11.2014, 22.03 Uhr, SWR2 Feature – 55 Minuten
Autor: Thomas Gaevert, Söhnke Streckel
Redaktion: Wolfram Wessels
Sprecher: Bernd Gnann, Klaus Hemmerle, Janek Petri, Sebastian Schwab
Technik: Daniel Sänger, Sonja Röder
Regie: Iris Drögekamp
Interviewpartner:
Klaus Eichner, ehemaliger Mitarbeiter des MfS / Aufklärung / HVA der DDR
Prof Dr. Joachim Wolf, Ruhruniversität Bochum
William E. (Bill) Binney, ehemaliger technischer NSA-Direktor
Thomas Drake, ehemals externer NSA-Zuarbeiter
Daniel Bangert, Fachinformatik-Student
Daniel Domscheit-Berg, Informatiker, Mitbegründer und bis 2010 Sprecher der Enthüllungsplattform Wikileaks
Weitere O-Töne:
Erich Mielke, bis zum 07.11.1989 Minister für Staatssicherheit der DDR
Keith Alexander, ehemaliger NSA-Direktor
George Blake, ehemaliger britischer Doppelagent
Bryce Jones, 2012 leitender Projektingenieur des Kommando- und Führungszentrums der US-Army in Wiesbaden
Karl Koch, 1989 Initiator einer deutschen Hackergruppe
Bernon F. Mitchell, 1960 in die Sowjetunion übergelaufener NSA-Kryptologe
Gerhard Schröder, Bundeskanzler, am Abend des 11.09.2011 anläßlich des Anschlags auf das WTC New York

Spätestens seit den Enthüllungen von Edward Snowden ist die amerikanische National Security Agency, kurz NSA genannt, in aller Munde. Obwohl Deutschland seit 1994 souverän ist, blieben die US-Streitkräfte und ihre Geheimdienste hier weiterhin stationiert. Sie können vom exterritorialen Boden ihrer Kasernen aus handeln, ohne dass die Bundesregierung einen nennenswerten Einfluss darauf hat.
Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 erklärte sich Deutschland mit den USA solidarisch, deren »Krieg gegen den Terror« uneingeschränkt zu unterstützen. Entsprechende Geheimverträge folgten. Seitdem führt die NSA unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung einen nachrichtendienstlichen Krieg auch von deutschem Boden aus. Die Aktivitäten des Geheimdienstes haben eine lange Tradition,
die er nicht aufzugeben gedenkt.

Geboren 1914 - Einsichten einer Hundertjährigen

Sendetermin: 04.12.2014, 10.05 Uhr, SWR2 Tandem – 25 Minuten

Autor: Thomas Gaevert
Redaktion: Ellinor Krogmann
Regie: Tobias Krebs

Anneliese Bunke ist genau 100 Jahre alt. Ihr ganzes Leben verbrachte sie in einer kleinen Stadt im Harz. Aus dieser Perspektive heraus erlebte sie alle großen Ereignisse mit, die seit dem Ersten Weltkrieg bis heute die Welt bewegten. Doch die großen Zusammenhänge standen für sie nie im Vordergrund. Wichtig war der Alltag und wie er zu bewältigen war. Die Heimat verlassen, das wollte sie nie, selbst wenn es noch so schwierig wurde. Um glücklich zu sein, brauchte sie keinen anderen Ort. Eine Sesshaftigkeit, die sie bei ihren Enkeln und Urenkeln vermisst.

Wer ist das Volk ? - Über Fremdenfeindlichkeit im Osten

Das ARD radiofeature – 55 Minuten

Autor: Thomas Gaevert
Erzählerin: Nele Rosetz
Sprecherin: Nadine Kettler, Hilde Kirchner, Katharina Giesbertz
Sprecher: Hendrik Pape, Johannes Wördemann
Ton und Technik: Dietmar Rötzel, Sonja Röder
Regie: Ulrich Lampen
Redaktion: Wolfram Wessels

Sendetermine

SWR 2:
Mittwoch, 23.09.2015, 22.05 Uhr

Saarländischer Rundfunk (SR 2):
Samstag, 26.09.2015, 17.04 bis 18.00 Uhr

Antenne Saar:
Samstag, 26.09.2015, 17.04 bis 18.00 Uhr

WDR 5:
Samstag, 26.09.2015, 11.05 bis 12.00 Uhr
Montag, 28.09.2015, 20.05 bis 21.00 Uhr

Bayern 2:
Samstag, 26.09.2015, 13.05 bis 14.00 Uhr
Sonntag, 27.09.2015, 21.05 bis 22.00 Uhr

HR 2:
Sonntag, 27.09.2015, 18.05 bis 19.00 Uhr

NDR Info:
Sonntag, 27.09.2015, 11.00 bis 11.55 Uhr

Radio Bremen (Nordwestradio):
Sonntag, 27.09.2015, 16.05 bis 17.00 Uhr

Wiederholungen:

Deutschlandradio Kultur:
Mittwoch, 17.02.2016, 00.05 bis 01.00 Uhr

Auch in der DDR gab es dauerhaft lebende Ausländer. Vertragsarbeiter wurden sie genannt und sie kamen aus Vietnam, Mosambik, Angola und anderen Bruderländern. Doch von sozialistischer Solidarität war nicht viel zu spüren, von der eigenen Bevölkerung wurden die Migranten sorgsam abgeschottet. Kam es dennoch zu Begegnungen, gab es Vorbehalte, Diskriminierungen und Konflikte. Liegen hier die Ursachen für eine besondere Form von Fremdenfeindlichkeit, die sich durch enttäuschte Hoffnungen nach der Wende noch verstärkt hat? Welche Rolle spielt sie in der Pegida-Bewegung? Auch wenn die Demonstrationen wieder kleiner werden – die Probleme bleiben.

© Foto: Thomas Gaevert

„Ich weiß nicht, woher es kommt“ - Leben mit dem PWS-Syndrom

Sendetermin: 18.11.2015, 10.05 Uhr, SWR2 Tandem – 25 Minuten

Autor: Thomas Gaevert
Regie: Günter Maurer
Redaktion: Petra Mallwitz

Seit seiner Geburt leidet der 24jährige Christopher unter einem beständigen Hungergefühl. Schon als Neugeborener fiel er durch eine ausgeprägte Muskelschwäche auf. Hinzu kommen psychische Beeinträchtigungen wie extreme Stimmungsschwankungen, unkontrollierte Wutausbrüche, das Festhalten an einer starren Zeitplanung und die Unfähigkeit, kleinste Veränderungen zu akzeptieren. All das führt immer wieder in neue Konflikte und seelische Krisen. Ursache ist eine sehr seltene Behinderung namens Prader-Willi-Syndrom. Christopher selbst ist sich seiner Behinderung bewusst. Wird er dennoch jemals ein Leben führen können, das selbstbestimmt und angstfrei ist?

Vom Brockenbenno und der verlorenen Zeit - Geschichte eines Extremwanderers

Sendetermin: 02.12.2015, 10.05 Uhr, SWR2 Tandem – 25 Minuten

Autor: Thomas Gaevert
Regie: Günter Maurer
Redaktion: Ellinor Krogmann

Fast jeden Tag macht sich der alte Mann auf den Weg, um „seinen“ Berg zu besteigen. Egal, ob Sonnenschein oder Schneesturm – inzwischen sind es fast 8000 Mal, die er den Gipfel bestiegen hat. Benno Schmidt heißt der mittlerweile 82jährige Extremwanderer, und der Berg, den er täglich neu besteigt, ist der Brocken im Harz.

Zu DDR-Zeiten war hier ein militärisches Sperrgebiet. Betreten verboten, hieß es 28 Jahre lang. Viele schütteln über den Brockenbenno, wie er von allen genannt wird, den Kopf: Wie kann man nur so oft auf ein und denselben Berg laufen? Möchte er so die verlorene Zeit wieder einholen?

© Foto: Thomas Gaevert

Kleine weiße Friedenstaube - Ein Lied und seine Schöpferin

Sendetermin: 09.03.2016, 10.05 Uhr, SWR2 Tandem – 25 Minuten

Autor: Thomas Gaevert
Redaktion: Ellinor Krogmann
Erzählerin: Almut Henkel
Sprecher: Jannek Petri
Regie: Andrea Leclerque

„Kleine weiße Friedenstaube“ ist eines der bekanntesten Kinderlieder aus der DDR. Es wurde vor allem in der Schule, zu unzähligen Pioniernachmittagen und zu besonderen Anlässen gesungen. Es war kein ideologisches Kampflied, dafür aber sehr leicht und einprägsam. Seine Schöpferin ist die Pädagogin Erika Schirmer (geborene Mertke) aus Nordhausen am Harz. Es war im Jahre 1948, als sie an einem notdürftig vernagelten Schaufenster vorbeikam. Darauf klebe ein Plakat mit Pablo Picassos Friedenstaube – dem Symbol für die damals in Paris stattfindende Weltfriedenskonferenz.
Als Erika Schirmer dieses Plakat sah, fiel ihr spontan eine kleine Melodie ein. Als sie diese zum ersten Mal vor sich hinsummte, konnte sie noch nicht ahnen, wie berühmt ihr Lied einmal werden würde. Damals war die Trauer über die Millionen Toten des Zweiten Weltkrieges noch frisch. Die Sendung erzählt Erika Schirmers Geschichte.

© Foto: Thomas Gaevert

Kasachstan, das war einmal - Wie die Familie Briandin in Deutschland eine zweite Heimat fand

Sendetermin: 29.06.2016, 10.05 Uhr, SWR2 Tandem – 25 Minuten

Autor: Thomas Gaevert
Redaktion: Ellinor Krogmann
Regie: Günter Maurer

Emma Briandin unterrichtet Kriegsflüchtlinge in der deutschen Sprache. Die erste Hürde, als Asylbewerber „anerkannt“ worden zu sein, haben die 16 Teilnehmer ihres Deutschkurses genommen. Doch jeder von ihnen weiß genau: Wenn sie wirklich bleiben wollen, dann müssen sie auch die deutsche Sprache beherrschen, müssen sich in unser Alltagsleben und unsere Kultur einfühlen können. Erst dann werden sie eines Tages keine Fremden mehr sein, sondern wirklich „anerkannt“ werden. Denn Heimat habe sehr viel mit „anerkannt sein“ zu tun, sagt Emma. Die sechzigjährige Lehrerin weiß, wovon sie redet. Geboren wurde sie 1955 im Uralgebiet. Ihre Eltern wurden als Rußlanddeutsche dorthin zwangsumgesiedelt. 1959, nach Stalins Tod, zog die Familie auf eine Sowchose im Norden Kasachstans um. Dort wuchsen Emma und ihr zwei Jahre jüngerer Bruder auf. „Also das war dort richtig Multikulti im positivsten Sinne“, erinnert sich Emma heute. „Es war so egal, welcher Nationalität du warst. Es gab so viele gemischte Ehen, zum Beispiel deutsch-kasachisch oder russisch-kasachisch. Später sind dann noch mehrere Familien aus der Ukraine oder aus anderen Republiken innerhalb der damaligen Sowjetunion auf unser Dorf gekommen, darunter viele Georgier und viele Tschetschenen. Also das war völlig normal! Bis zu diesem Jahr 1991. Während die Perestroika im Westen gefeiert wurde, sollte sie uns zum Verhängnis werden. Auf einmal hieß es: so, wir sind jetzt Kasachstan, ab morgen reden wir alle kasachisch! Die ganzen Amtswege, alles auf kasachisch. Von heute auf morgen. Plötzlich war Haß und Feindschaft unter den Menschen. Jeder, der kein geborener Kasache war und die Möglichkeit hatte, wegzufahren oder auszuwandern, verließ das Land… Und deswegen haben meine Eltern gleich gesagt: Anstatt sich hier jetzt erneut als ‚Deutscher‘ und ‚Faschist‘ beleidigen und beschimpfen zu lassen, fahren wir jetzt in das Land, aus dem unsere Urgroßeltern einst herkamen.“
Doch als Emma Briandin und ihre Familie im Dezember 1991 in Deutschland ankamen, stellte sich die Realitität ganz anders da, als erhofft. Sprachschwierigkeiten und Probleme, im deutschen Alltag Fuß zu fassen, erschwerten ihnen den Neuanfang. Aufgewachsen in einer autoritären Gesellschaftsform, die das Leben bis in alle Bereiche hinein zu bevormunden versuchte, musste sie sich von nun an um alle Probleme selbst kümmern.
Heute, fast 25 Jahre später, erzählt Emma Briandin rückblickend, wie sie und ihre Familie dennoch in Deutschland ein neues Zuhause fanden.

© Foto: Thomas Gaevert